In den Startlöchern

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Die MS Sea Watch im Hafen von Lampedusa

Verladen, Training für die neuen Besatzungsmitglieder und Schiffsreparaturen - Die Sea Watch liegt derzeit im Hafen von Lampedusa. Die Crew bereitet sich auf die nächsten Rettungseinsätze vor.

Logbucheintrag fünf, 20.07.15

Die „Sea Watch“ liegt seit einer Woche wieder im Hafen von Lampedusa. Die neue Crew ist eingetroffen und unsere Beschäftigung besteht zur Zeit vor allem darin, die Materialien die auf der vorangegangenen Mission verbraucht wurden, zu ersetzen und neu zu verstauen.

Was noch fehlte waren Rettungsinseln, die das Leben von jeweils bis zu 65 Menschen retten sollen. Wir bekamen sie schließlich über einen langen Transportweg aus Dänemark. Einem Unterstützeraufruf folgend hatte sich Majka aus Berlin spontan auf den Weg gemacht und die rund 5000 km von Berlin über Dänemark bis nach Lampedusa hinter sich gebracht, um uns Rettungswesten und -inseln zu bringen, die wir dringend für die Flüchtlinge brauchen.

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Seit Tagen sind wir mit dem Verladen, dem Training für die neuen Crewmitglieder und auch mit Schiffsreparaturen beschäftigt. Die alte Dame „Sea Watch“, die uns so zuverlässig über die Meere trägt, ist eigensinnig, anspruchsvoll und lässt sich gerne betüddeln. Nun sind wir bei den letzten Vorbereitungen und werden voraussichtlich am Mittwoch auslaufen.

Immer neue Flüchtlinge kommen an

Auf der Insel Lampedusa bietet sich derweil ein absurdes Bild: Touristische Hochsaison mit gutgelaunten und braungebrannten Menschen vom italienischen Festland. Demgegenüber und in einem versteckten Tal keine drei Kilometer vom brodelnden Leben der kleinen Hafenstadt entfernt, das Aufnahmelager für Flüchtlinge, die verschreckt und voller Angst auf ihren Transport nach Sizilien warten. Auch dort werden sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden.

Letzte Woche wurde die "Bourbon Argos", das Rettungsschiff der Ärzte Ohne Grenzen mit über 700 Flüchtlingen an Bord in Sizilien abgewiesen. Österreich hat gestern die Asylverfahren samt und sonders gestoppt und wird auch keine undokumentierten Flüchtlinge ohne Papiere mehr über die Grenzen einreisen lassen.

All dies hören natürlich auch die Flüchtlinge – selbst in einem so entlegenen Lager wie hier - und ihre Angst und Verlorenheit wird dadurch noch schlimmer.

Auf der Insel kommen immer neue Flüchtlinge an, die die italienische Küstenwache aus dem Meer fischt und hierher bringt. Die Offiziere und die Matrosen sind sehr fähig und überaus mitfühlend und freuen sich über jeden Menschen, den sie aus Seenot retten können. Sie belächeln die „Sea Watch“ ein wenig, sind aber sehr freundlich uns gegenüber, vor allem, seit sie gesehen haben, wie viele Menschen wir retten konnten.

Das Schiff der Ärzte ohne Grenzen und die "Phoenix" von MOAS sind zur Zeit aus technischen Gründen aus den Gewässern um Lampedusa und vor der libyschen Küste verschwunden. Wir sind das einzige Schiff, das den Flüchtlingen erste Hilfe leisten kann. Die beiden Schiffe werden erst ab Ende des Monats wieder zuverlässig in diesen Gewässern kreuzen.

Meine Crew und ich sind ungeduldig. Wir stehen in den Startlöchern, um zu helfen und so viele Menschen wie möglich aus ihren zumeist sehr prekären Situationen auf dem Meer zu retten: Der „Standard“ ist inzwischen ein Boot aus billigem Gummi, etwa 9 Meter lang und mit Holzbrettern als Boden. Aus denen ragen 5 cm lange Stehbolzen nach oben. Auf diesen Stehbolzen müssen die meisten Flüchtlinge stehen, und das Tag und Nacht. Die Außenbordmotoren fallen meist sehr schnell aus, weil die Schlepper den Menschen mit Wasser und Dreck vermischtes Benzin in Kanistern geben. Ein Gemisch das schon im Normalfall sehr feuergefährlich ist.

 

In unserem Logbuch Mittelmeer berichten Crewmitglieder der MS Sea Watch von ihrem Einsatz an Bord und ihrer Mission vor der libyschen Küste. Die private Initiative um das Rettungsschiff leistet selbst Nothilfe und fordert die Rettung von Flüchtlingsbooten in Seenot ein.